Beitragsseiten


Die KBV geht davon aus, daß das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Versorgungsbudgets feststellen wird. Schorre forderte Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer auf, den "Irrweg planwirtschaftlicher Gesundheitspolitik" zu verlassen. Sonst sei der Abstieg der Gesetzlichen Krankenversicherung in eine Versorgung zweiter Klasse nicht mehr aufzuhalten. SG

Erwähnugen von Triage

Heidbüchel, Dr. med. Ulrich

Gesundheitspolitik: Wer soll entscheiden?

in: Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 4 (24.01.1997), Seite A-132 (Zu dem "Seite eins"-Beitrag "Blick zurück mit Wut" in Heft 51?52/1996:)
SPEKTRUM: Leserbriefe

Ihrem Artikel entnehmen wir, daß Sie offenbar die Meinung vertreten, in der Bundesrepublik Deutschland gäbe es de facto eine "klassenlose" Medizin. Mehr noch, Sie glauben, so müssen wir jedenfalls Ihrem Artikel entnehmen, die Triage bezüglich erstattungsfähiger medizinischer Leistungen (stillschweigend: vordergründig zu-nächst einmal, und dann vielleicht später auch in anderen Bereichen) im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung sei nicht der Ärzteschaft zu überlassen.
Offen bleibt in Ihrem Artikel - den wir mit erheblichen Irritationen gelesen haben (Beweis: wir haben Ihnen vorher noch nie geschrieben!) -, wer denn dann wieder einmal über das, was wir Ärztinnen und Ärzte zu tun und zu lassen haben, entscheiden soll . . .
Dr. med. Ulrich Heidbüchel, Emmeransstraße 3, 55116 Mainz

_____________________________________________________________________________________________

 

Meyer, Rüdiger

Therapie der Pneumonie: Zuviel stationär und zuwenig ambulant

in: Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 10 (07.03.1997), Seite A-552
SPEKTRUM: Akut

Bei der Therapie einer Pneumonie haben viele niedergelassene Ärzte noch immer zu wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Statt die nötige Antibiotikatherapie selbst einzuleiten, überweisen sie die Patienten vorsichtshalber in die Klinik. Nach einer jetzt veröffentlichten amerikanischen Studie (N Engl J Med 336, 243-250, 1997) könnten 31 Prozent der derzeitigen stationären Behandlungen vermieden werden. Für weitere 19 Prozent der Patienten, die heute in der Regel mehrere Wochen zur Behandlung und Beobachtung in der Klinik bleiben, wäre eine stationäre Aufnahme von nur wenigen Tagen ausreichend. Voraussetzung dazu wäre aber, daß die primär behandelnden Ärzte die Prognose bei ihren Patienten richtig einschätzen. Michael J. Fine und Mitarbeiter der Universität Pittsburgh haben hierfür nach der Analyse von fast 15 000 Patientendaten ein einfach zu handhabendes zweistufiges Schema entworfen.

Allein durch Anamnese und klinische Untersuchung kann im ersten Schritt für viele Patienten die Notwendigkeit einer stationären Behandlung ausgeschlossen werden. Für die anderen wird in einem zweiten Schritt ein Score ermittelt, in den zusätzlich Röntgenthorax und die Ergebnisse der Laboruntersuchung einfließen. Auf diese Weise lassen sich etwa 70 Prozent der Pneumoniepatienten herausfiltern, bei denen die Sterbewahrscheinlichkeit weniger als ein Prozent beträgt und die deshalb guten Gewissens ambulant behandelt werden können. Fine hat das Schema anhand der Daten der Pneumonia-Patient-Outcome-Research-TeamStudie (PORT) validiert. Hier starben sieben von 1 575 Patienten, die nach dem Schema ambulant behandelt worden wären. Das Erstaunliche an der Studie ist, daß sie nicht die erste ihrer Art ist. Im Editorial (Seite 288289) werden drei weitere Untersuchungen zitiert, welche praktisch zu dem gleichen Ergebnis kommen.


Dennoch gibt es bisher (auch in den USA nicht) keine offizielle Empfehlung zur "Triage" der Pneumoniepatienten. Um eine Fehlentscheidung zu vermeiden, wird sich an dieser Situation vermutlich nichts ändern. Die Einführung der Antibiotikabehandlung hat zwar die Zahl der Todesfälle um zwei Drittel gesenkt. Die Pneumonie ist jedoch noch immer die sechsthäufigste Todesursache. Trotz Antibiotika und Intensivmedizin versterben über 10 Prozent der Patienten. Daß diese ein klares Risikoprofil haben, das sich bei der Erstuntersuchung leicht erstellen läßt, wird sich wohl erst durchsetzen, wenn die Algorithmen in einer prospektiven Studie untersucht werden. Dies wäre sinnvoll, weil somit unnötige Krankenhausaufenthalte und beträchtliche Kosten erspart werden könnten. Rüdiger Meyer

 

_________________________________________________________________________________________


Heinz, Thomas W.

Drogenschnelltests: Qual der Wahl bei einer Fülle von Produkten

in: Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 49 (04.12.1998), Seite A-3118
POLITIK: Medizinreport

Nur wenige Tests eignen sich zum Screening, da allgemein gültige Kriterien zu Qualität und Nachweisgrenzen fehlen.
Drogenschnelltests anhand von Urinproben auf immunchromatographischer Basis werden in großem Umfang in verschiedenen Bereichen eingesetzt. So kann zum Beispiel die Polizei bei Verkehrskontrollen auf solche Testverfahren zurückgreifen. Andere Testverfahren, die im Verdachtsfall vor Ort den Konsum von Drogen abbilden sollen - basierend auf Schweißuntersuchungen oder der Pupillometrie -, sind in der Erprobungsphase.
Leider ist es für niedergelassene oder in Kliniken arbeitende Ärzte nicht immer leicht, das richtige Produkt aus der Fülle der Angebote der Drogenschnelltests herauszufinden. Bei fehlenden allgemein gültigen Kriterien zu Qualität und Nachweisgrenzen - es gibt zur Zeit keinen weltweit anerkannten Standard für immunchemische Suchtests - sind häufig lediglich Preisunterschiede offensichtliche Entscheidungskriterien. Herstellerangaben und Expertenempfehlungen, die sich zumeist an ehemaligen amerikanischen Kriterien (NIDA) orientieren, sind unterschiedlich. So liegen beispielsweise die Herstellerangaben für den Cut-off- oder Grenzwert bei THC (Wirkstoff in Haschisch und Marihuana) zwischen 10 und 50 ng/ml. Diese Bandbreite macht es insbesondere Ärzten, die in der Methadon-Substitution arbeiten, schwer, den aktuellen Beigebrauch zu kontrollieren. Bei einer Spanne von 10 bis 50 ng/ml kann im Extremfall selbst ein passiv Mitrauchender ein auf THC positives Testergebnis erbringen. In ähnlicher Weise kann sich die Problematik bei Opiatschnelltests auswirken: hier kann der Genuß größerer Mengen Backmohns zu falsch positiven Opiat-/Heroin-Testergebnissen führen. Aus diesem Grunde wird zur Zeit diskutiert, die Opiat-cut-off-Werte am Arbeitsplatz von 300 auf 2 000 ng/ml anzuheben. Beim Einsatz von nichtinstrumentellen Drogentests (NIDT) muß dem Anwender klar sein, wofür die Ergebnisse dienen sollen. Für juristisch verwertbare Ergebnisse kommt man an differenzierten Untersuchungen (zum Beispiel im Blut) weiterhin nicht vorbei. Bislang lagen keine fundierten Vergleichsstudien der erhältlichen Schnelltests vor. Im Auftrag des Administrative Office of the US-Courts wurde erstmals eine solche umfangreiche und unabhängige Studie zur Evaluation von nichtinstrumentellen Drogentests in Auftrag gegeben und von der Firma Duo Research lnc. veröffentlicht. Die vernehmliche Zielrichtung war die Anwendung von Schnelltests in der Arbeitsmedizin. In das Ergebnis flossen neben der Einhaltung der offiziellen amerikanischen Grenzwerte verschiedener Substanzen anhand der sogenannten SAMHSA-Kriterien (Substance Abuse and Mental Health Services Administration) außerdem die Spezifität, Sensitivität und Handhabung mit ein. Alle zu dem Zeitpunkt der Studie (1997) bekannten Anbieter wurden von Duo Research kontaktiert; fünfzehn nichtinstrumentelle Drogentests wurden in die Untersuchung aufgenommen. Als Referenz wurde ein instrumenteller Test (Behring Diagnostic’s ETS) verwendet. Darzustellen war, inwieweit die NIDT akkurate Ergebnisse erbringen, das heißt das Maß deren Diagnosesicherheit. Nichtinstrumentelle Drogentests weisen die Drogen beziehungsweise deren Metaboliten qualitativ nach. Bei den anwenderfreundlich aufgebauten Schnelltests fand sich eine breite Streuung hinsichtlich positiver, falschpositiver, negativer und falschnegativer Testergebnisse. Keiner der Tests erbrachte in dieser Studie den Idealwert; allerdings gab es unter den Anbietern deutliche Unterschiede, so daß für Verlaufs- oder Screeningbeobachtungen einige der Schnelltests mit einer guten Ergebnissicherheit einsetzbar sind (siehe Tabelle).
Eine anschauliche vergleichende Untersuchung zur Qualität von neun auf dem deutschen Markt erhältlichen Schnelltests für Benzodiazepine und Amphetamine (inklusive "Ecstasy") wurde im Rahmen der jüngsten Tagung der Gesellschaft für Rechtsmedizin vom Münchener Institut für Rechtsmedizin veröffentlicht. Die Auswahl fiel auf diese Substanzgruppen, da diese häufig in der analytischen Beurteilung Probleme verursachen. Die meisten der zur Zeit gängigen immunchemischen Schnelltests sind nicht in der Lage, niedrigdosierte und schnell metabolisierte Benzodiazepine nachzuweisen. Ergebnis: Die von den Herstellern der neun Schnelltests angegebenen Cut-off-Werte (300 µg/l für Benzodiazepine und 1 000 µg/l für Amphetamine) sind zumeist zuverlässig für die jeweilige Zielsubstanz, aber auch für Derivate und Metaboliten eingehalten worden. Einige der Tests lagen deutlich unterhalb dieser Vorgaben - das heißt, diese sind empfindlicher. Bei den Amphetamintests ist vereinzelt mit falschpositiven Befunden durch Schnupfenmittel und Eiweißabbauprodukte zu rechnen.
Beide Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, daß die Auswahl des jeweilig adäquaten Testverfahrens sehr stark von der Fragestellung abhängt: Liegt die Priorität bei einem Schnelltest mit breitem Spektrum oder bei einer hohen Sensitivität?
Die Europäische Union hat kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben, die analog zur Duo-Research-Untersuchung die gängigen Drogenschnelltests hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit am Arbeitsplatz testen soll. Mit Ergebnissen ist in etwa zwei Jahren zu rechnen. Die hier vorgestellte Studie der Firma Duo Research soll in diesem Jahr unter anderem für die SAMHSA fortgesetzt beziehungsweise aktualisiert werden. Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.
Um eine weitestmöglich gute Ergebnisqualität mit den NIDT zu erreichen, sei auf die Durchführungsempfehlungen von Duo Research verwiesen:
- Unbedingt sind die Gebrauchsanweisungen der einzelnen Untersuchungsschritte durchzulesen und einzuhalten. - Soweit möglich, sollte ein Mitarbeiter die Probe abnehmen und ein zweiter dann den Test außerhalb des Einflußbereiches des Getesteten durchführen. Derjenige, der den Test abliest, sollte dies regelmäßig tun, um Vertrautheit und Routine in Durchführung und Bewertung zu erreichen.
- Die Probe sollte vor dem Test gesplittet werden, um eine notwendige Nachtestung vornehmen zu können.
- Die Archivierungsmöglichkeiten der Testergebnisse sind noch unzureichend. Vorschläge der Hersteller, den Teststreifen zu fotokopieren, erbringen in der Regel keine zufriedenstellenden Ergebnisse. In Einzelfällen konnte mit Polaroidaufnahmen eine befriedigende Möglichkeit gefunden werden. Thomas W. Heinz


Der Autor ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.


Tabelle Übersicht der Schnelltests für bestimmte Drogen
Untersuchte Droge Einzel-Schnelltest Kombi-Schnelltest
1. Amphetamine Mahsan-AMP-S Mahsan-Kombi/DOA 4
PharmScreen First Check
TesTcup
Triage
2. Kokain Mahsan-COC-S Mahsan-Kombi/DOA 4
First Check
3. Opiate Mahsan-MOP/OPI-S TesTcup
Verdict Triage
Mahsan-Kombi/DOA 4
First Check
QuickScreen
4. THC PharmScreen First Check
Mahsan-THC-S Mahsan-Kombi/DOA
QuickScreen
5. Phencyclidin PharmScreen Triage
First Check Single
Verdict
Gesamturteil für Kombi- Mahsan-Kombi/DOA 4
tests der oben genannten TesTcup
Substanzen 1-4 First Check
QuickScreen