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2.1.2. Das kirchliche Amt im Verständnis der römisch-katholischen Kirche

Die Handlungen, die der Kirche als Institution der Heilsvermittlung zustehen, werden durch das kirchliche Amt vollzogen, das kirchliche Amt handelt für die Kirche.  Trotz der Fehlbarkeit des Menschen behält dabei die Kirche als Institution ihre Unfehlbarkeit.

Christus hat das Amt eingesetzt, durch diese bzw. seinen Inhaber  wird er in seiner Gemeinde repräsentiert. Christus hat das Amt den Aposteln übertragen durch die "apostolische Sukzession" kam es von Bischof zu Bischof bis in unsere Tage. Auch durch diese Sukzession wird nach Joest die Apostolizität der römisch-katholischen Kirche begründet.

Das Amt stellt sich dreistufig dar:  Bischof, Priester und der in jüngerer Zeit wieder an Bedeutung gewinnende (ständige) Diakon. Diesen Ämtern kommen verschiedene Gewalten zu. Dem Kollegium der Bischöfe kommt die Lehrgewalt zu. Wenn der Priester in Übereinstimmung mit der bischöflichen Lehre verkündigt, besitzt er Lehrvollmacht. Die Jurisdiktionsgewalt steht dem Bischof zu, allerdings übernimmt auch der Priester durch das Bußsakrament Teile ihrer urteilenden Funktion. Die Weihegewalt hat jeder ordinierte Priester und Bischof. Durch sie können sie gültige Sakramente vollziehen. Joest verweist hier auch auf die besondere Stellung der Nottaufe.

Im Amt des Papstes fallen alle diese Vollmachten zusammen. Seit dem I. Vatikanum kann der Papst auch durch das Dogma der Unfehlbarkeit Glaubensaussagen für als in der Offenbarung enthalten und verbindlich erklären. Dadurch kann er sie zum "für alle Christen verbindlichen"[8] Dogma erklären.  Dies kann er ohne ein Konzil tun, während von Konzilien proklamierte Dogmen stets der Zustimmung des Papstes bedürfen. Joest sieht im "Amtscharisma" [9] des Papstes die Bindung der römisch-katholischen Kirche an ihren Lehranspruch der Wahrheit, die von Gott offenbart wurde. In dieser Unterordnung aller Gewalten unter das Papstamt sieht Joest  es als sichtbares Zeichen und Garantie der Einheit der Kirche. Es wird daran erinnert, daß die römisch-katholische Kirche durch die apostolische Sukzession und das Verständnis des Papstamtes als "Petrusamt", Matthäus  16, 18 auf das Amt des Papstes bezieht.

In zwei Sätzen verweist Joest darauf, daß sich das orthodoxe Kirchen- und Amtsverständnis dahingehend unterscheidet, daß es dem Papstamt nur einen Ehrenprimat zuerkennt, das Zusammenfallen der Gewalten grundsätzlich ablehnt und die Lehrgewalt allein "im ökumenischen Konzil der Bischöfe"[10] sieht.

 

Durch Math. 16,16-19 und Joh. 21,15-17 begründet die römisch-katholische Kirche eine besondere Vorrangstellung des Apostels Petrus, des späteren legendären ersten Bischofs von Rom. Diese Vorrangstellung wurde dann übertragen auf das Amt des römischen Bischofs. So kam es zum Petrusamt. Bereits gegen Ende des 2. Jahrhunderts wurde so auch ein Primat dieses Amtes, das auch das des Patriarchen des Abendlandes beinhaltet, über die Patriarchen des Ostens beansprucht. Dies führte, wie schon bei Cyprian erwähnt, zu Konflikten und trug später zur Kirchenspaltung bei. Der Primatsanspruch des Petrusamtes beschränkt sich nicht nur auf einen Ehrenvorrang, wie ihn in den orthodoxen Kirchen der ökumenische Patriarch von Konstantinopel inne hat, sondern erstreckt sich auch auf ein Jurisdiktionsprimat. Der Papst als Inhaber des Petrusamtes beansprucht so die oberste Lehr- und Gesetzgebungsgewalt sowie die oberste Gerichtsbarkeit in Kirchen-, Glaubens- und Gewissensfragen für die ganze Christenheit. Auch im Papstamt gibt es Veränderungen: Der Titel des "Vicarius Petri" wurde seit dem 12. Jahrhundert in Verbindung mit der sich verändernden Stellung des Kaisers durch den des "Vicarius Christi" ersetzt. Dies symbolisiert, daß nach römisch-katholischem Kirchenverständnis Christus durch die heilsvermittelnde Kirche und deren Amt den Gläubigen präsent ist. Dies steht im Widerspruch zu evangelischem Verständnis, welches Kirche nur als Gemeinschaft der Glaubenden sieht und eine Präsenz Christi durch ein Amt oder eine Kirche nicht kennt, sondern von einem direkten Zugang der Gläubigen zum dreieinigen Gott ausgeht.

Der aber bis heute aufrecht erhaltene Anspruch des Papsttums führt immer wieder zu Konflikten sowohl mit der Orthodoxie als auch mit anderen Kirchen.

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das Papsttum im Mittelalter. Besonders seit der Aufklärung schwindet allerdings die Autorität des Petrusamtes besonders in Europa und Nordamerika.

Das "Petrusamt" als Symbol und Garant der Einheit der Kirche bringt in unserer Zeit zwiespältige Aspekte mit sich. Zum einen empfinden es viele Katholiken als vorteilhaft im Papst einen verbindlichen Wegweiser  besonders in kirchlichen Fragen zu haben, wonach sich auch nicht wenige von der Pluralität ihrer eigenen Kirchen erschöpfte Protestanten sehnen. Zum anderen wird in einer Zeit der weltweiten Demokratisierung die Absolutität, der Absolutismus des Papstamtes mehr und mehr hinterfragbar. Gerade von Frauen wird oft die Legitimität von Entscheidungen des Papstes in Fragen der Sexualethik bezweifelt, ja rundweg abgesprochen. Zumindest in Europa und Nordamerika besitzen diese Entscheidungen für die Mehrzahl der Katholiken entgegen der kirchlichen Lehre keine Autorität mehr. Viele billigen dem Papst allein Autorität in kirchlichen Fragen zu. Diese Diskussion um Fragen der Autorität des Papstes in Fragen der Sexualethik hat auch dazu geführt, daß das Bild des Papstes heute als das eines "verknöcherten, alten Mannes", der seiner Zeit weit hinterher ist, erscheint und sich damit auch das Bild der römischen katholischen Kirche als wenig lebendig und veraltet darstellt. Dadurch finden durchaus moderne Positionen des Papstes in anderen Fragen kaum noch Gehör, und auch das reichhaltige und bunte Leben der römisch-katholischen Kirche jenseits der Kurie gerät dadurch viel zu sehr aus dem Blickfeld.

Die Frage nach dem Amtsverständnis in der Orthodoxie, die sich nach meinem Verständnis in ihrer Vielgestaltigkeit nur schwer unter dem gebräuchlichen Begriff  "die orthodoxe Kirche" oder dem von Joest verwendeten "die orthodoxe Kirche des Ostens"[11] zusammenfassen läßt, wird mit den reichlich vier Zeilen, die auf die Bewertung des Papsttums abzielen, sehr kurz behandelt.

Ein Thema, das auch Protestanten im Rahmen interkonfessioneller Zusammenarbeit durchaus berühren dürfte, ist das der Weihegewalt.  Ohne sie, die nur Bischöfen und Priestern zukommt, ist es nach Joest nicht möglich, gültige Sakramente zu vollziehen. Deshalb ist auch der ständige Diakon auf von einem Priester geweihte Hostien für die von ihm betreute Gemeinde angewiesen. Dies erschwert auch die Anerkennung der Sakramente anderer christlicher Kirchen, die offiziell ja noch nicht mal Kirche sein dürfen. Abgesehen von Problemen, die durch die unterschiedliche Anzahl der Sakramente entstehen, gibt es diese zum Beispiel auch beim Übertritt von einer evangelischen zur römisch-katholischen Kirche. Dies wird durch die schwierigen Verhandlungen zwischen den Kirchen zu einem Übertrittsverfahren deutlich. Ihr Ergebnis ist bisher nur eine Vereinbarung, die die römisch-katholische Kirche ausklammert.

Wilfried Joest verweist mit der apostolischen Sukzession auf einen interessanten Problemkreis, der sich speziell durch die schwedische Kirche auch im Protestantismus besonders im Luthertum[12] stellt. Dies beginnt mit der Frage des Zusammenfallens von Personalsukzession und Sachsukzession: Die Personalsukzession ist notwendig zur Rückbindung des Amtes an das Amt der Apostel, sie steht zum einen als Symbol für die persönliche Bindung des Geweihten an die Lehre der Apostel und die Lehre derer, über die das Amt auf ihn gekommen ist, zum anderen soll sie aber auch der Bildung und Abspaltung von Gruppen innerhalb eines Bistums oder außerhalb der Kirche vorbeugen, die für sich in Anspruch nehmen wollen "Kirche Christi" zu sein.

Die Sachsukzession beinhaltet, sowohl daß der Weihende bereit ist, das Amt zu übertragen, als auch die Bereitschaft des zu Weihenden, eben dieses Amt der Kirche zu übernehmen. Die Bindung der Gültigkeit der Übertragung des Amtes an den Willen des Weihenden, das Amt Kirche zu übertragen, und den dessen, der geweiht wird, genau dieses Amt zu übernehmen, beugt der Spaltung der Kirche vor, soll Irrlehren austrocknen helfen und dient auch der Abgrenzung der römisch-katholischen Kirche gegen aus ihr entstandene andere Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Durch die Sachsukzession wurden nach römisch-katholischem Verständnis beispielsweise die Priesterweihen des Bischofs Lefevre ungültig, da er nicht gewillt war, das Amt entsprechend  den Lehren der Kirche zu übertragen. Die Sachsukzession beinhaltet auch, daß der Weihende das Amt in der Weihezeremonie  nur dem persönlich überträgt, dem er glaubt, es zu übertragen. Dies verhindert beispielsweise, daß Betrüger, die sich bei einer Priesterweihe in die Reihe der Priesteramtskandidaten eingeschlichen haben, wirklich zu Priestern geweiht werden, auch wenn sie an der Zeremonie teilgenommen haben, denn der weihende Bischof  hatte ja nur den Willen, das Amt den Priesteramtskandidaten zu übertragen. Ein weiteres Beispiel ist die Entstehung und römisch-katholische Nichtanerkennung der schwedischen "apostolischen Sukzession": Da die Reformation in Schweden per Dekret eingeführt wurde, befanden sich die schwedischen Bischöfe in der Zwangslage, Priesterweihen zu vollziehen. In diesem Zwang wiederum hatten sie nicht den Willen das Amt zu übertragen, somit ist die "apostolische Sukzession" der schwedischen Kirche hinfällig.

Damit hätten wir das Problem der apostolischen Sukzession in der evangelischen Kirche erreicht, diese Problem möchte ich nur an Hand eines Beispiels aufzeigen: Bei der Einsetzung von Bischof Olav Skjevesland Anfang 1999 in Kristiansand nahm auch unter entsprechender Handauflegung ein schwedischer Bischof teil. Damit dürfte Bischof Skjevesland nach schwedischer Sicht unter der apostolischen Sukzession stehen, während die norwegische Staatskirche diese Sukzession in ihren Lehren nicht kennt.

Interessant ist der von Joest[13] angedeutete, erneute Bedeutungsgewinn des ständigen Diakons. In der Zeit eines zumindest in Europa für die römisch-katholische Kirche akut gewordenen Problems des Priestermangels besitzt der ständige Diakon wieder eine große Bedeutung. Das Pflichtzölibat hält viele meist junge Katholiken davon ab, sich für den Beruf des Priesters zu entscheiden, für sie bietet sich im ständigen Diakonat ein Ausweg:  Die Vorschriften über den Familienstand von ständigen Diakonen ähneln etwas denen für Priester in orthodoxen Kirchen. Wer zum Zeitpunkt der Weihe verheiratet ist, darf verheiratet bleiben, wer allerdings unverheiratet ist, muß auch als Diakon im Zölibat leben. Da auch verwitwete Diakone nicht wieder heiraten dürfen, entscheidet sich eine relativ große Zahl von ihnen, dann auch die letzten Schritte zur Priesterweihe zu gehen. Der Diakon darf zwar wie der Priester die Messe feiern, jedoch kann er keine Hostien weihen. So ist es ihm nur möglich, die Kommunion  mit bereits zuvor geweihten Hostien zu halten, das heißt, er darf sie eigentlich nur austeilen.

Das Amt des Diakons spielt auch in der Diskussion um eine Reform der römisch-katholischen Kirche und das sogenannte "Kirchenvolksbegehren" eine nicht unwichtige Rolle: Es wird gefordert, doch wenigstens das Amt des ständigen Diakons für Frauen zu öffnen, wenn ihnen schon der Weg zum Priesteramt verschlossen bleibt. Durch die Erstarkung des Diakonenamtes kehrt mehr und mehr die alte Dreigliedrigkeit des Amtes, Bischof, Priester und Diakon, zurück.

 

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