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3.   Sozialwissenschaftliche Gesichtspunkte

3.1.     Konzentration

Ein Aspekt, der bei der Behandlung des Themas Gebetshaltungen und damit eines speziellen Bereiches des Themas Gebet berücksichtigt werden muß, ist der der Konzentration. Für jedes Gebet ist eine gewisse Sammlung der Gedanken notwendig. Wenn bei einem Tun die innere und äußere Haltung, in der dies erfolgt, nicht dem Gegenstand und Inhalt des Tuns angemessen ist, so erschwert dies das Tun oder macht es unmöglich. Dabei bedingen sich häufig innere Geisteshaltung und äußere Körperhaltung. Kaum jemand wird z.B. sein Lieblingsessen, daß er genießen möchte, im Stehen an einem Imbiß einnehmen . Oder wer kann fröhlich singen und dabei vielleicht noch tanzen, wenn er im Innersten zutiefst traurig und bedrückt ist.

Um Tätigkeiten gut auszuführen ist oft Konzentration,  „Sammlung,  Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf  eng umgrenzte Sachverhalte“[11]  nötig. Dies trifft in besonderer Weise für das Gebet zu.  „K[onzentration] bedingt Spannung, Energie, Vitalität, Übung.“[12] Ihr können „Ermüdung, Sättigung, ... Reizüberflutung, ... Interessenmangel und störende situative Umstände“[13] entgegenstehen.

Bei 12 und 13jährigen können der für das Gebet notwendigen Konzentration verschiedene Faktoren im Wege stehen:

Zum einen  die Reizüberflutung. Diese kann durch einen häufig und lange laufenden Fernseher,  der die Jugendlichen häufig mit nicht gerade ruhiger Musik und Videoclips mit schnell wechselnden Bildfolgen berieselt. Eine Reizüberflutung kann ebenfalls durch den häufigen Gebrauch eines Walk- oder Discmans, bzw. andere ständige Musikberieselung entstehen. Ein weiterer Faktor sind neben den äußeren die inneren Reize.  Großer Leistungsdruck besonders in der Schule, Probleme im oder mit dem Elternhaus, oder ein inneres, für die Zeit der Pubertät nicht untypisches  Durcheinander von Eindrücken und Empfindungen können die Konzentrationsfähigkeit einschränken. Gerade bei diesen inneren Reizen kann das Gebet aber auch helfen, mit ihnen umzugehen.

Negativ kann sich auf die Konzentration aber auch der Zeitpunkt auswirken, zu dem sie benötigt wird. Gerade im Konfirmandenunterricht besteht diese Gefahr häufig, da er fast ausschließlich am Nachmittag stattfindet. Am Nachmittag aber ist bei Jugendlich nach einem vorausgegangenen Schultag und bereits erledigten bzw. noch zu erledigenden Hausaufgaben häufig eine Ermüdung festzustellen.

Problematisch, ja fast unmöglich, ist (nicht nur)  der Umgang mit einem Thema, wenn es nicht gelingt die Angesprochenen, die Konfirmanden, dafür zu interessieren. Dies trifft für die Behandlung des Gebetes in fast jedem Unterricht in besonderer Weise zu, da hier das Interesse der Jugendlichen zum einen speziell für die zum Gebet notwendige Konzentration und zum anderen allgemein für den Unterricht benötigt wird. Aber auch für das Praktizieren des Betens und die dafür notwendige Konzentration ist ein Interesse daran nahezu unabdingbar. Es ist häufig nur schwer möglich bei Jugendlichen ein Interesse für das Gebet zu wecken[14].  Gelingt es, ein Interesse für das Thema im Unterricht zu wecken, so entsteht eine Spannung, die nicht nur für die Konzentration im Unterricht und das Beten in diesem Rahmen nützlich ist, sondern den Jugendlichen auch Mut dazu machen kann Beten selbständig zu erfahren.

Eine Sättigung in Bezug auf das Gebet und damit seine Erschwerung oder Unmöglichkeit kann entstehen, wenn die Jugendlichen immer wieder zum Gebet gezwungen werden, bzw. es ihnen abverlangt wird ohne das dies ihren eigenen Bedürfnissen und ihrer eigenen Entscheidung entspricht[15]. Dies kann z.B. durch ein Pflichtbeten des Vaterunsers zum Beschluß der Konfirmandenstunde geschehen. Jedoch können auch die Pflichtgottesdienste ein solches „lästiges Betenmüssen“ beinhalten und so eher vom Gebet abweisen als dazu erziehen. Eine kaum zu überwindende Sättigung in bezug auf das Gebet läßt sich z.B. an einem Stöhnen beim Einnehmen der Gebetshaltung erkennen.

Negativ für die zum Beten nötige Konzentration können auch bestimmte Situationen sein, die z.B. durch den Satz „Laßt uns zum Abschluß der Stunde noch das Vaterunser beten!“ entstehen. Durch einen solchen Satz wird erstens durch den Gebrauch des Wortes „Abschluß“ die Aufmerksamkeit der Konfirmanden weg vom Gebet hin zur  Zeit nach der Stunde gelenkt. Zum zweiten werden sie ziemlich ultimativ zum Beten aufgefordert, was heißt, sie müssen beten. Desweiteren erzeugt die stereotype Wendung „Laßt uns ...“ meist eine Sättigung und ist der Sprache der Jugendlichen fremd. Zuletzt kann das Vaterunser für die Konfirmanden einen Ritus[16] darstellen, dessen Sinn sie nicht erkennen und den sie daher ablehnen.

Ebenfalls kann die Einnahme einer bestimmten, mehr oder minder vorgeschriebenen Gebetshaltung für Jugendliche die Situation eines Ritus darstellen, dessen Sinn sie nicht kennen und den sie deshalb ablehnen. Da sie nicht immer Alternativen dazu kennen, wird teilweise auch der Inhalt dieses Ritus, das Gebet, abgelehnt.

Lernen die Konfirmanden andere, eigene Gebetshaltungen, -gesten und -riten  kennen, und üben sie diese ohne Zwang , so kann das ihnen helfen ihre Vitalität, ihre Energie und ihre Emotionen zu konzentrieren und für das Gebet zu nutzen.   Die für das Gebet einmal gewonnene Konzentration bzw. Konzentrationsfähigkeit läßt sich für die Jugendlichen z.T. nach dem Gebet weiter nutzen, z.B. für Klassenarbeiten. So können sie beginnen, das Gebet als etwas Positives, ein Geschenk, zu erfahren.

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